unsere "Yangtse-Kreuzfahrt" beginnt, Tag 1
05.10.1986
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wir müssen heute früh raus

Um 4:30 Uhr sind wir aufgestanden, d.h. ich stand bereits um 3:30 Uhr auf, well ich wach wurde, als unsere Kompagnons von nebenan aufs Klo gingen. Da dachte ich, es ist Zeit zum Aufstehen und wusch mich, Doris schlief fest weiter. Sie sagte mir mal, zu Hause kann sie nachts nie schlafen, also dann muss ich auf sie wie ein Schlafmittel gewirkt haben. Dann merkte ich den Irrtum und legte mich wieder ins Bett.

über diese große Treppe (wegen Hochwasser) geht es hinunter zum Schiff

über diese große Treppe (wegen Hochwasser) geht es hinunter zum Schiff

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Um 6:20 Uhr geht es mit den Bus und unserem ganzen Gepäck zur Schiffs- anlegestelle. Es ist noch dunkel, dichter Nebel hängt in der Luft. Auf der Straße sind bereits Chinesen bei ihrer Frühgymnastik. Die Stimmen sind gedämpft. Am Kai stehen Chinesen herum, die uns unser Handgepäck tragen wollen. Frauen mit großen Körben voll Äpfel bieten sie uns zum Kauf an. Von Fährschiff ertönt Musik. Als wir dann die breite Holztreppe zum Schiff runtergehen, ist es eine ganz eigenartige Atmosphäre .

wir gehen an Bord des Linienschiffs

Auf dem Fährschiff (Linienschiff, kein speziellen Touristendampfer) sind bereits viele Chinesen, manche liegen auf dem Boden, eingerollt in ihre Steppdecke. Die Kabinen werden verteilt.

so sieht dann unsere 4er-Kabine aus, spartanisch ausgestattet

so sieht dann unsere 4er-Kabine aus, spartanisch ausgestattet

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Wir vier erhalten als erste unsere Kabine in der 3. Klasse (die Viererbande ist geboren). Die anderen Kabinen liegen in der 2. Klasse, sie werden später verteilt. Als wir unsere Kabine in Augenschein nehmen, müssen wir doch erst mal schlucken. Doris sagte, damit mußten wir rechnen. Elke war so aufgebracht, dass sie sich den ganzen Tag nicht beruhigen konnte. Und zwar hauptsächlich deswegen, weil für die übrige Reisetruppe die Zweibettkabinen ganz selbstverständlich waren und sie sich noch um Außen- und Innenkabinen stritten, während dessen wir jetzt Menschen dritter Klasse waren. Wir hatten kein heißes Wasser für Tee. Es waren Reisstroh-Matten und auf dem Bettzeug hatten schon viele andere vor uns geschlafen.

Ich war froh, dass ich meinen Kissenbezug für den Kopf mit hatte. Ich nahm mir vor, mich nicht aufzuregen. Um 8:3O Uhr gibt es Frühstück in dem sehr einfachen Speiseraum, nur für die ausländischen Touristen. Später trafen wir uns alle in dem "Salon" in der 2. Klasse, den wir noch mit Franzosen, Japanern und "höheren" Chinesen teilen. Wangi bedankt sich bei uns im Namen der Gruppe für unser Entgegenkommen. Der zuständige Reiseleiter auf dem Fährschiff war eine durchtriebene "Flasche" ersten Ranges. Er selbst teilt sich mit einer Chinesin eine Zweibettkabine und verhalf uns nicht zu zwei Zweibettkabinen.

das Schiff legt ab, unsere "Kreuzfahrt" beginnt

Um 7 Uhr sollte das Schiff ablegen, wir waren alle an Deck und schauten zu, wie verladen wurde. Ein paar von unserer Gruppe kamen und erzählten, dass vor ihren Augen ein verschnürtes Paket von oben ins Wasser geworfen wurde und kurz darauf sahen sie einen Chinesen durch die Luft segelnd auf das Wasser klatschen. Sie ließen dann zwar Rettungsringe runter und fischten ihn raus, aber seine Habe war weg. Der Chinese war nicht selbst gesprungen, man hatte ihn einfach über Bord geworfen, warum, weiß keiner von uns. Wegen des dicken Nebels verzögert sich die Abfahrt auf 10:20 Uhr, wir legen ab und unsere Schiffsreise auf dem Yangtsekiang beginnt. Hier in Chongqing ist der Zusammenfluss von Jialing und Yangtse.

die ersten Dörfer ziehen am Ufer vorbei

die ersten Dörfer ziehen am Ufer vorbei

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Wir werden in zwei Tagen und zwei Nächten 382 km zurücklegen. Wir können uns hier massieren lassen, ein Masseur bietet seine Dienste an. Doris und ich bestellen ihn in die Kabine. Das muss man sich mal vorstellen: Die kleine Vierbettkabinen, auf meiner Pritsche liegt der Rucksack, Beutel, Jacke, so habe ich im Augenblick kaum Platz zum Liegen. Doris gibt mir ihren Mantel, auf den ich mich lege, weil alles andere nicht sauber ist. Der Masseur muss zusehen, wie er mich massieren kann. Aber er macht seine Sache sehr gut, z.T. wendet er Akupressurgriffe an, meine Zehen und Finger zieht er in die Länge. Die Chinesen fangen immer links an zu massieren und. dann rechts. Es dauert 1/2 Stunde. Doris wird anschließend massiert. Ich fühle mich danach sehr wohl.

unser erstes Mittagessen an Bord

Inzwischen gibt es Mittagessen. Das Schiff fährt an Industriegebieten vorbei. Wir fahren vorbei an Fegdu (die Geister- und Teufelsstadt); an Shibaozhai (das Edelstein-Gehöft), die Stadt liegt am nördlichen Ufer des Flusses. Das Essen ist einfach, aber es schmeckt. Es wird Abend. Von der dritten Klasse abwärts legen sich inzwischen die Chinesen überall auf den Gängen auf der Erde zurecht. Wangi ist schwer erkältet, er fiebert und geht schlafen. Einige von uns sitzen draußen und trinken noch Bier.

Aber es weht ein recht kühler Wind. Elke ist fix und fertig mit allem, jetzt gehen die Nerven mit ihr durch. Wir kommen die ganze Nacht kaum zur Ruhe. Über uns laufen die Chinesen die ganze Nacht herum, sie haben alle Eisen unter den Schuhen und der Boden hat auch Eisenbelag. Die Fähre hat nachts noch zwei Haltestationen, die sie anläuft, wo noch mehr einsteigen, Ware wird nachts an Bord gebracht.

Probleme mit der Kabine

wir sind gespannt auf das erste Abendessen an Bord

wir sind gespannt auf das erste Abendessen an Bord

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Wir haben keinen Kabinenschlüssel. Gegen 10 Quai Pfand erhalten wir einen. In der ersten Nacht wollte ein Chinese zu uns rein, weil er dachte, es ist noch Platz zum Schlafen. Auf einmal war es so laut, dass wir vier senkrecht in Bett saßen. Doris zog ihren Mantel an und ging raus an die frische Luft. Achim mußte Elke beruhigen und ich ging erstmal aufs Klo. Doris hatte große Rückenschmerzen, sie hatte keine Matratze, die war einfach weg. Schließlich nahm sie ihre Decke und zog in den "Salon", wo sie sich auf ein Sofa zum Schlafen hinlegte. Dort wollte eine Chinesin sie erst rausschmeißen, Herr Dieckmann saß auch noch dort und konnte wegen des Getrampels nicht schlafen. Als Doris morgens in unsere Kabine kommen wollte, hatten die nachts den Salon abgeschlossen, so dass sie eingesperrt war. Es war sowieso nachtsüber kein Wechsel von zweiter in dritter Klasse möglich. Jedenfalls haben wir alle eine sehr schlechte Nacht verbracht. So lange wir Katzenwäsche in der Kabine veranstalten, verdünnisiert sich Achim nach draußen.

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