die letzte Etappe von Sävsundet nach Stockholm
19.07.2007
Balken

unsere schöne Fahrt geht leider zu Ende

Die letzte Nacht war wieder sehr kurz. Bereits um 4:50 lässt der Kapitän die Motoren an und die Wilhelm Tham nimmt Fahrt auf Richtung Stockholm. Wir beide bleiben liegen und hoffen noch ein bisschen schlafen zu können. Aber das klappt nicht so richtig. Um 6:30 scheucht uns dann der Wecker endgültig aus den Kojen.

Ein grauer nebliger Morgen empfängt uns an Deck. Das erste was ich so richtig zu sehen bekomme, sind Regentropfen auf meiner Brille, es nieselt. Na toll, dann hat uns das schlechte Wetter doch noch eingeholt. Ich drehe eine Runde ums Schiff, überall das gleiche, eine dichte graue Wolkendecke. Wir gehen zum Frühstück und ich genieße noch mal die Köttbullar, die es heute zum zweiten Mal gibt. Vom Brückendeck aus will ich mir die vorletzte Schleuse der Fahrt, die Södertälje-Schleuse ansehen. Aber sie ist nicht so beeindruckend, wie ich sie mir vorgestellt habe. Sie ist schließlich die größte Schleuse Skandinaviens (138 m lang). Allerdings wird das Schiff hier nur um ca. 30 cm angehoben.

Ich widme mich daher dem Kofferpacken. Unser großer Koffer, den wir zur Aufbewahrung abgegeben hatten, wurde uns inzwischen automatisch wieder vor die Kabinentür gestellt. Nach einer halben Stunde ist alles bereits verstaut. Kurz darauf wird uns per Lautsprecher verkündet, dass wir in Kürze in Birka, unserem letzten Ausflugsziel anlegen werden. Als ich nach oben gehe. traue ich meinen Augen kaum. Am Himmel zeigen sich einzelne hellere Stellen, die Sonne versucht durch die Wolken zu blinzeln und am Horizont sind vereinzelt blaue Löcher zu sehen. Sollte vielleicht doch noch der Tag schön werden; aber nein, den Gedanken schiebe ich gleich wieder zur Seite und schnappe mir einen Regenschirm der Wilhelm Tham.

Besuch von Birka auf Björka

Zusammen mit den anderen besuchen wir anschließend das Weltkulturerbe Birka auf der Insel Björka. Ein Archäologe führt uns ca. 1 Stunde lang über die Insel und erzählt viel Wissenswertes. Hier an dieser Stelle haben die Wikinger von etwa 740 n. Chr. für rund 250 Jahre lang einen Handelsposten betrieben.

Festungsanlage auf dem Weg nach Stockholm

Festungsanlage auf dem Weg nach Stockholm

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Der Handel wurde von Westfrankreich bis nach Asien betrieben. Auch die Handelswege auf der angrenzenden Ostsee kontrollierten die Wikinger von hier aus. Dieser Ort war für seine Zeit ein sehr bedeutender Handelsplatz weit über Skandinavien hinaus. Nach dem Besuch des Museums und eines Films über Birka kehren wir bei schönstem Sonnenschein zur Wilhelm Tham zurück. Ich kann es noch immer nicht fassen. Sollten wir wirklich noch mal einen schönen sonnigen Tag bekommen?

Führung durch die Wilhelm Tham

Kurz nach unserer Rückkehr auf das Schiff kommt plötzlich Elke zu mir und erzählt, dass einige Leute eine Bootsführung mit einem der Besatzungsmitglieder gemacht haben. Ob ich nicht auch das machen möchte?. Natürlich bin ich sofort Feuer und Flamme und laufe hinunter zum Hauptdeck. Dort treffe ich auf den "Irokesen" (wegen seines Harrschnitts). Der vertröstet mich auf den nächsten Rundgang, da sich vor mir noch jemand anderes gemeldet hat. Ich warte geduldig. Kurz darauf beginnt dann meine Führung. Bewaffnet mit dicken Kopfhörern wg. des Maschinenraums, steigen wir dorthin hinab, wo normalerweise kein Gast hinkommt. In einem Seitenraum ist aller möglicher Krimskrams verstaut, dahinter beginnt der Maschinenraum. Höllisch laut, 40 Grad warm, aber sehr interessant. Anschließend gehen wir vorbei an den Frischwassertanks des Schiffes (die Abwassertanks liegen ganz tief unten im Schiff) und erreichten die Messe der Besatzung, die recht geräumig ist. Weiter geht es vorbei an den Vorratskammern für frische Ware und Tiefkühlkost sowie den Kabinen der Besatzung. Noch ein letzte Blick in die Küche, ich bedanke mich für das tolle Essen an Bord und schon stehe ich wieder auf dem Hauptdeck. Eine tolle Führung in die sonst gesperrten Regionen des Schiffes.

das letzte Mittagessen

unsere beiden Köchinnen, tolles Essen haben sie gezaubert

unsere beiden Köchinnen, tolles Essen haben sie gezaubert

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Kaum wieder an Deck ruft schon Peter mit seinem Gong zum Essen. Die Fischsuppe wird von den beiden Köchinnen an Bord ausgeteilt, die uns Ann-Sofie noch kurz vorstellt. Die Beiden hat man sonst selten zu Gesicht bekommen.

Nach dem Essen erscheint der Kapitän des Schiffes und verteilt an die Mitreisenden Zertifikate, die die Fahrt auf dem Götakanal bestätigen. Jährlich sind es etwa nur 3000 Menschen, die die Gelegenheit für eine solche Fahrt wegen der begrenzten Kapazitäten und Zeiten haben.

   Mitagessen
-- Fischsuppe "Bohuslän" mit Creme Fraiche und Knäckebrot aus Gränna

Schloss Drottningholm und die unsere Rechnung

Ich bin inzwischen schon wieder unterwegs mit der Videokamera und filme die Anfahrt auf das Schloss Drottningholm, in dem die königliche Familie wohnt. Ein sehr schönes Barockschloss, welches wir bei bestem Sonnenschein passieren. Noch sind es 45 Minuten Fahrt über den Mälarsee bis zur letzten Schleuse vor Stockholm. Im Speisesaal, wie mir Elke später berichtet, hat inzwischen der Mann des einzigen schwedischen Paares an Bord ein Gedicht über diese Götakanalfahrt zum Besten gegeben. Ann-Sofie hat immer in Deutsch oder englisch übersetzt und das Gedicht ist bei allen gut angekommen.

Während sich im Speisesaal noch alle freuen, nutze ich die Gelegenheit, unsere Rechnung zu bezahlen. 922 Kronen hatten wir in den 6 Tagen vertrunken. Außerdem stecken wir Trinkgeld (siehe Info) in eine Büchse, die sich später die Besatzung teilen wird. Inzwischen tauchen die ersten Vororte von Stockholm auf und die Reise geht langsam aber sicher dem Ende entgehen. Die Sonne kommt immer mehr zum Vorschein und es ist noch ein ganz herrlicher Tag geworden.

Stockholm liegt vor uns

Wir befahren die Schleuse Hammarby, die letzte Schleuse der Reise. Sie trennt die Ostsee vom Mälarsee, auf dem wir uns Stockholm nähern. Nach einer Linkskurve aus dem Danvikskanal kommend taucht vor uns dann die Altstadt (Gamla Stan) von Stockholm auf.

wir erreichen Stockholm

wir erreichen Stockholm

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Der Turm des Rathauses ist zu sehen und auch das restliche Stockholm liegt dann vor, neben und auch hinter uns. Ein wunderbarer Anblick. Gut, dass ich schon bezahlt habe, die Schlange an der Kasse wird jetzt lang und länger. So kann ich in aller Ruhe filmen und den Anblick genießen. Allerdings versperrt uns ein Kreuzfahrer etwas die Aussicht auf die Altsstadt, der jedoch beidreht.

Unfall in letzter Minute

Wir nähern uns schon der Kaianlage, als sich uns von links der bereits erwähnte Kreuzfahrer immer mehr im Rückwärtsgang nähert. Na ja, denke ich, der wird gleich "Gegenschub" einlegen und abbremsen. Aber nichts passiert. Als das Heck des Kreuzfahrers uns schon ganz nahe ist kann ich Elke gerade noch zurufen, dass sie sich festhalten soll, da kracht er auch schon in die linke hintere Seite der Wilhelm Tham. Das große Schiff rutscht an der Wand unseres Schiffes entlang zum Heck und reißt dabei etliche Metallstreben aus ihrer Verankerung und zerstört auch kleinere Teile der Holzkonstruktion am Brückendeck. Ein schreckliches Geräusch, als das große Schiff sich an unserem entlang schiebt. Durch den Aufprall wird die Wilhelm Tham etwas von ihrem Kurs abgebracht und trifft die Kaimauer, der sie sich schon ziemlich genähert hat, in einem Winkel von fast 90 Grad. Einige fallen hin, andere halten sie gut fest und ihnen passiert nichts. Auch von Land aus haben viele Leute den Unfall miterlebt und dabei ganz schön laut geschrien.

Zerstörungen nach dem Zusammenstoss mit einem Kreuzfahrtschiff

Zerstörungen nach dem Zusammenstoss mit einem Kreuzfahrtschiff

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Inzwischen hat sich der Kreuzfahrer schon wieder etwas von uns entfernt und an Bord der Wilhelm Tham herrscht ziemliche Aufregung. Eine Frau ist auf ihr schon nicht ganz gesundes Knie gefallen, sonst aber ist zum Glück niemand verletzt worden. Alle Koffer, die bereits vor dem Restaurant aufgebaut worden waren, sind auch an Bord geblieben. Die Besatzung der Wilhelm sieht sich schnell den Schaden an und macht dann erst mal gegen 15 Uhr 30 die Wilhelm Tham an der Kaimauer am Skeppsbrokajen fest. Hätte der Kreuzfahrer die Wilhelm Thamm nur etwas früher und weiter vorne erwischt, wären die Folgen möglicherweise verheerender gewesen. So ist er nur im hinteren Drittel vorbei gerutscht, sonst wäre er voll in die Seite unseres Schiffes eingeschlagen.

Die Besatzung schafft unser Gepäck an Land, während unter den Passagieren noch immer heftig über diesen Unfall diskutiert wird. Ein weiteres Problem sind die Schäden auch deshalb, weil die Wilhelm Tham morgen um 10 Uhr wieder mit neuen Gästen nach Göteborg auslaufen soll. Wir werden nicht mehr erfahren, was daraus geworden ist.

Inzwischen wurde die Gangway angelegt und direkt davor ein roter Teppich ausgerollt. Wie bei einem Staatsempfang. Der Steuermann, Ann-Sofie, Sofia, Jonathan und Cecilia stehen am Ende der Gangway und verabschieden sich einzeln mit Handschlag von jedem Passagier. Ann-Sofie hat Tränen in den Augen; entweder weil sie so gerührt ist von dem Abschied oder so glücklich, dass nicht mehr bei dem Unglück passiert ist. Wir verabschieden uns noch von einigen Gästen und sind dann kurze Zeit später schon in dem vorbestellten Taxi Richtung Hotel unterwegs. Die Fahrt dauert nur wenige Minuten.

Das Einchecken im Nordic Sea Hotel erfolgt problemlos und wir erhalten auch das gewünschte Zimmer mit 2 Betten. Im ersten Stock öffnen wir unsere Zimmertür und es kehrt plötzlich eine Ruhe ein, die wir seit 6 Tagen nicht mehr gewohnt waren. Das Zimmer ist schön ausgestattet, alles was man braucht ist vorhanden. Wir packen erst mal in aller Ruhe unsere Koffer aus. Immer wieder kommen wir auf diesen Unfall zu sprechen, der unserer Reise doch ein ziemlich abruptes Ende bereitet hat. Nach dem wir etwas zur Ruhe gekommen sind, schnappen wir uns Fotoapparat und Videokamera und schlendern zunächst durch den Bahnhof von Stockholm, der gleich neben unserem Hotel liegt. Hier besorgen wir uns noch etwas Bargeld aus einem Geldautomaten. Das geht mit einer EC-Karte problemlos.

Ein erster Stadtbummel

Dann bummeln wir durch die Innenstadt, es ist immer noch angenehm warm.

ein erster Bummel durch die Innenstadt Stockholms

ein erster Bummel durch die Innenstadt Stockholms

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Auf der Einkaufsstraße Drottninggatan schlendern wir hin und her und kehren kurz vor 18 Uhr bei Pizza Hut auf der Kungsgatan Nähe Vasagatan ein. Endlich mal ein handfestes Essen nach den vielen tollen Menüs an Bord. Wir genießen das Essen, holen uns im Bahnhof noch einige Getränke und einige Süßigkeiten und kehren ins Hotel zurück. Elke lässt sich gemütlich im Sessel nieder und ich surfe (kostenlos) durchs Internet. Ein passendes Kabel habe ich an der Rezeption (ebenfalls kostenlos) erhalten.

Der Wetterbericht für Stockholm für den morgigen Tag verspricht Sonne und Wolken bei 20 Grad. Wenn das so eintrifft, wäre es toll. Inzwischen ist es nach 22 Uhr. Wir beide sind doch etwas müde, die letzte Nacht war recht kurz. Auch die Nächte davor haben wir selten länger als 6 Stunden geschlafen. Wir werden die breiten und langen Hotelbetten heute richtig genießen. Korrekturlesen und Bilder überspielen heben wir uns für morgen auf. Es war ein wirklich schöner und aufregender Tag mit einem glimpflich verlaufenden Zusammenstoß. Zum Glück scheint aber offensichtlich ernsthaft niemandem etwas passiert zu sein.

Balken
Wetter :  morgens sehr grau, dann immer sonniger
bei Ankunft in Stockholm gegen 15 Uhr 30 : 22 Grad
Unterkunft :  Hotel Nordic Sea -- *** -- ÜF

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